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Versteckter Hörverlust: Schwerhörig trotz klinisch normalem Gehör
Ein versteckter Hörverlust ist definiert als ein Hörverlust, der mit Standardhörtests nicht nachweisbar ist. Niemand weiß, wie viele Menschen einen versteckten Hörverlust haben. In einer amerikanischen Studie, in der mehr als 100.000 Patientenakten aus einem Zeitraum von 16 Jahren untersucht wurden, hatten etwa 10 Prozent der Patienten, die eine audiologische Klinik von Massachusetts besuchten, trotz ihrer Beschwerden und Hörprobleme ein normales Audiogramm.
In unserer modernen Gesellschaft werden unsere Ohren ständig von lauten Geräuschen bombardiert, die das Innenohr dauerhaft schädigen und auch empfindliche Haarzellen oder Nervenfasern zerstören können, ohne Schmerzen zu verursachen oder andere offensichtliche Warnzeichen zu geben. Menschen mit verstecktem Hörverlust können an einem ruhigen Ort ein Flüstern ohne Probleme hören, sie haben jedoch Schwierigkeiten, Sprache in lauten Umgebungen zu verstehen oder Gespräche in Gruppen zu führen. Ihr Audiogramm weist fälschlicherweise ein normales Hörvermögen aus.

Seit Jahrzehnten konzentrieren sich die lärm- und altersbedingten Forschungsbemühungen auf den Verlust von Haarzellen und die dadurch verursachte Schwerhörigkeit. Haarzellen wurden lange Zeit als die anfälligsten Elemente im Innenohr angesehen, aber Forscher haben jetzt gezeigt, dass Nervenfasern noch anfälliger für Schäden sind.
Die auditorischen Neurowissenschaften haben bis vor kurzem nicht erkannt, dass man bis zu 90 Prozent seiner Cochlea-Nervenfasern verlieren kann, ohne dass sich die Fähigkeit, einen Ton in Ruhe zu erkennen, verändert. Die Tonerkennung in ruhigen Situationen ist allerdings die Grundlage des Audiogramms – also der Goldstandard um unsere Hörfunktion zu messen.
Versteckter Hörverlust vs. normaler Hörverlust
Wie unterscheidet sich ein versteckter Hörverlust von einem normalen Hörverlust? Eine klassische Schwerhörigkeit, die oft auf Alterungsprozesse oder laute Lärmbelastung zurückgeführt wird, wird durch eine Schädigung der sensorischen Nervenzellen verursacht. Diese Sinnesnervenzellen sind dafür verantwortlich, Schall in elektrische Impulse umzuwandeln. Eine versteckte Schwerhörigkeit hingegen ist die Folge einer Schädigung der synaptischen Verbindungen zwischen Nervenzellen und Hörnervenfasern. Das bedeutet, dass die Sinnesnervenzellen ihre Arbeit eigentlich fehlerfrei verrichten, elektrische Signale jedoch nicht vollständig übertragen werden können.

Ein weiterer Unterschied zwischen einer normalen Schwerhörigkeit und einer versteckten Schwerhörigkeit besteht darin, dass eine versteckte Schwerhörigkeit lange vor einer Schädigung der Sinneszellen (Haarzellen) auftreten kann. Sie ist auch schwieriger zu diagnostizieren, da sie nicht mit einem Standardaudiogramm gemessen werden kann. Es gibt jedoch wie oben beschrieben Hinweise, dass er vorhanden ist: Ein versteckter Hörverlust zeigt sich in der Regel in Schwierigkeiten beim Hören in lauten Umgebungen.
Hörverlust bei jungen Menschen ist nicht nur in Deutschland ein Problem. Laut Weltgesundheitsorganisation sind derzeit weltweit 1,1 Milliarden Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund von übermäßigem Lärm von Hörverlust bedroht. Die Entwicklung einer zuverlässigen Diagnose von verstecktem Hörverlust ist der Schlüssel zu Fortschritten im Verständnis von Innenohrerkrankungen. Dies kann nicht nur die Art und Weise verändern, wie Patienten beim HNO-Arzt getestet werden, sondern es öffnet auch Türen zu neuen Forschungsbereichen, einschließlich einem besseren Verständnis der Mechanismen, die einer Reihe von Hörschäden wie Tinnitus und Hyperakusis zugrunde liegen.
Anzeichen für versteckten Hörverlust
Es gibt verschiedene Gründe für versteckten Hörverlust. Die Schädigung von Haarzellen im Innenohr durch Lärm ist die häufigste. Binaurale Veränderungen, also z.B. unterschiedliche Geräuschlautstärken auf dem linken und rechten Ohr, sind ein früher Hinweis für eine zukünftige Schwerhörigkeit.

Während lärmbedingte Schädigungen von neuronalen Strukturen nur zu geringen oder gar keinen messbaren Veränderungen in einem Audiogramm führen, können sie dennoch einen Fehler im binauralen Hörsystem hervorrufen. Wenn man also Schwerhörigkeit frühzeitig erkennen will, sollte man einfach das binaurale System testen.
Eine der Hauptbeschwerden von Menschen mit Hörverlust ist, dass sie gut „hören“ können, aber Probleme haben, Gespräche in lauten Umgebungen zu verstehen – eine Fähigkeit, die in hohem Maße von einem normal funktionierenden binauralen System abhängt.
Es gibt keine etablierten medizinischen Richtlinien zur Diagnose von verstecktem Hörverlust, aber es gibt einige Symptome, die darauf hindeuten:
- Das Gefühl, schwerhörig zu sein, auch wenn ein Hörtest dafür keine Anhaltspunkte liefert
- Eine starke Präferenz für ruhige Umgebungen, um Gespräche zu führen
- Das Gefühl, in lauten Umgebungen leicht abgelenkt zu werden oder sich nicht konzentrieren zu können
- Das Gefühl, das man Menschen häufig falsch versteht
- Rückmeldungen von anderen Menschen, das man zu leise spricht
Diese Symptome können häufig auch mit einer erhöhten Sensibilität (Hochsensibilität) verwechselt werden. Häufig erhalten betroffene Menschen von Ihrem Audiologen folgende Diagnose. Ihr Gehör ist normal, möglicherweise besteht jedoch ein Aufmerksamkeitsproblem oder ein auditives Verarbeitungsproblem. Ein versteckter Hörverlust kann also auch mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verwechselt werden. Es ist auch nicht dasselbe wie eine „zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (ZAVWS)“, die bei Kindern oft diagnostiziert wird und auf einer anderen Ebene des Gehirns auftritt.
Was passiert im Gehirn?
Wenn wir hören, verursacht der akustische Schall Bewegungen in den Flimmerhärchen oder Haarzellen im Innenohr, die wiederum Signale an den Hörnerv senden, der auch als Nervus vestibulocochlearis oder achter Hirnnerv bezeichnet wird. Diese Signale müssen die Synapsen, also die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, überqueren.

Eine gewöhnliche Schwerhörigkeit entsteht durch eine Schädigung der Haarzellen oder des Hörnervs. Eine versteckte Schwerhörigkeit entsteht oft weil die Verbindungen zwischen den Nervenzellen das elektrische Signal nicht korrekt übermitteln. Das Signal kommt unvollständig an, daher fehlen Informationen, die wir zur Interpretation von Wörtern benötigen. Medizinisch wird dies manchmal als „Cochlea-Synaptopathie“ oder „auditorische Synaptopathie“ bezeichnet.
Im Jahr 2009 dokumentierte eine Studie an Mäusen, dass laute Geräusche gezielt Synapsen zerstören können. In der Studie wurden Mäuse gezwungen, zwei Stunden lang einen Lärm von 100 Dezibel zu ertragen. Später stellte das Team fest, dass die Haarzellen der Mäuse zwar überlebt hatten, die Hälfte ihrer Synapsen jedoch zerstört waren. Menschen mit beschädigten Synapsen können bei einem Hörtest auch bei niedriger Lautstärke noch einen Piepton hören. Sie können allerdings bei vergleichbarer Lautstärke keine Sprache verstehen.
Was verursacht einen versteckten Hörverlust?
Übermäßiger Lärm und Alterung verschlimmern das Problem. Viele Forscher sind der Meinung, dass eine lange Exposition gegenüber Lautstärken von mehr als 85 Dezibel einen versteckten Hörverlust verursachen können. Das Älter werden offenbart dann das Problem, da wir mit zunehmendem Alter auch auf natürliche Weise Verbindungen zwischen Nervenzellen abbauen.

Eine weitere mögliche Ursache können Probleme mit den Zellen sein, die „Myelin“ bilden, eine Substanz, die die neuronalen Axone (Gehirnzellen) im Ohr isolieren. Autoimmunkrankheiten wie das Guillain-Barré-Syndrom, das mit einer Lebensmittelvergiftung, Grippe, Hepatitis und dem Zika-Virus in Verbindung gebracht wird, greifen das Myelin an.
Im normalen Ohr werden die Schallwellen durch die Mittelohrknochen zum Innenohr übertragen, wo sie Vibrationen im Sinnesepithel verursachen. Das Cortische Organ wandelt diese in elektrische Impulse um und transportiert die Informationen zum Gehirn. Das Sinnesepithel enthält zwei Arten von Sinneszellen: äußere und innere Haarzellen. Die Sinneszellen werden auch als Haarzellen bezeichnet, weil sich auf ihren Oberflächen haarähnliche Büschel befinden, die „Stereozilien“ genannt werden. Durch die Biegung der Stereozilien wird der Cochlea-Nerv erregt. Dies ist das Herzstück des gesamten mechanisch-elektrischen Hörprozesses im Innenohr.
Die Haarzellen im Innenohr können bei übermäßigen Lärm beschädigt werden oder absterben und regenerieren sich nicht. Der verletzlichste Teil eines Neurons ist die Synapse zwischen dem Nervenende und der Haarzelle. Jede fehlende Synapse erhöht die Wahrscheinlichkeit eines versteckten Hörverlusts. Die Synapse kann nicht mehr auf Schall reagieren, und innerhalb weniger Monate oder Jahre wird der Rest des Neurons verschwinden.
Was bedeutet das konkret für mich? Jedes Mal, wenn wir laute Konzerte besuchen oder Elektrowerkzeuge ohne Gehörschutz benutzen, verlieren wir Cochlea-Nervenfasern und erhöhen den Grad und die Wahrscheinlichkeit einer Hörschädigung.
Experimentelle Tests zur Erkennung von verstecktem Hörverlust
Eine Studie untersuchte College-Studenten, die Hörprobleme trotz klinisch normalem Gehör hatten. Bei jedem Probanden maßen die Forscher den Gesundheitszustand des Hörnervs und führten einen Sprache-in-Lärm Test durch. Sie fanden einen Zusammenhang zwischen der elektrophysiologischen Messung des Hörnervs und der Hörleistung im Sprache-im-Lärm Test.

Das Forscherteam aus Massachusetts entwickelte zwei Tests, um versteckten Hörverlust zu messen. Mit dem ersten Test wurden elektrische Signale von der Oberfläche des Gehörgangs gemessen, um zu erfassen, wie gut subtile und schnelle Schwankungen der Schallwellen kodiert werden. Für den zweiten Test trugen die Teilnehmer eine Brille, die Veränderungen im Durchmesser ihrer Pupillen erfasste, während sie Sprache bei lauten Hintergrundgeräuschen hörten.
Während die Hörempfindlichkeit und die Fähigkeit, Sprache in ruhigen Umgebungen zu verstehen, bei allen Probanden gleich war, konnte man in lauten Situationen, eine verminderte Reaktion des Hörnervs, und wie erwartet, Schwierigkeiten beim Verstehen von Sprache beobachten. Die Fähigkeit einem Gespräch bei lauten Hintergrundgeräuschen folgen zu können, variierte sehr stark.
Die Tests wurden bei 23 Probanden mit klinisch normalem Gehör anwendet. Die beiden Tests konnten Probanden, die Schwierigkeiten beim Verstehen von Sprache in lauten Umgebungen hatten, korrekt identifizieren. Die Forscher hoffen, dass die Ergebnisse der Studie die Entwicklung besserer Testmethoden ermöglichen, mit denen versteckter Hörverlust in Zukunft erkannt werden kann.
Behandlung von verstecktem Hörverlust
Es gibt keine direkte Behandlung von verstecktem Hörverlust. Die Forschung sucht jedoch nach Medikamenten und Wirkstoffen, die das Wachstum neuer Synapsen und neuronalen Verknüpfungen auslösen können. In Fällen, in denen ein leichter Hörverlust vorliegt, profitieren betroffene Menschen von Hörgeräten, die eine „Sprache im Lärm“ Einstellung haben. Diese Technologie verwendet Richtmikrofone, um das Signal vor Ihnen aufzunehmen und den Schall hinter oder seitlich von Ihnen zu reduzieren. Sie können alternative auch ein Mikrofon in der Nähe des Sprechers platzieren und einen Bluetooth-Empfänger in Ihrem Ohr tragen.

Suchen Sie sich einen Hörgeräteakustiker, der sich mit verstecktem Hörverlust auskennt. Er kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, ob Ihnen eines der verfügbaren Hörgeräte helfen kann oder ob ein FM-System oder eine mobile Anwendung, die Live-Gespräche transkribiert, besser geeignet ist. Achten Sie darauf oder fragen Sie nach, ob es Hörhilfen in Theatern, Gotteshäusern, an Flughäfen und anderen öffentlichen Räumen gibt. Häufig ist das der Fall.
Zu Hause und im gesellschaftlichen Leben wird es Ihnen leichter fallen, Gespräche an ruhigeren Orten zu führen. Sie könnten Ihren Besuch im Restaurant auch zeitlich vorverlegen, weil das Restaurant dann ruhiger ist. Restaurants mit Teppichböden, Pflanzen und vielen Vorhängen sind besser für Sie geeignet, da diese Einrichtungsgegenstände schallreduzierend wirken. Gehen Sie früher zu Ihren Uni-Vorlesungen, damit Sie in der Nähe Ihres Professors sitzen können.
Wie jede Art von Hörverlust kann sich auch ein versteckter Hörverlust auf Ihre Psyche auswirken, indem er ein vermeidendes Verhalten und soziale Ängste hervorruft. Versuchen Sie Ihr Problem deshalb nicht zu leugnen und teilen Sie es anderen Menschen mit.
Hörverlust durch Lärmbelastung ist vollständig vermeidbar
Was können Sie tun, um ihr Gehör langfristig zu schützen? Verwenden Sie zunächst Kopfhörer und Ohrstöpsel nach der 60/60-Regel: 60 Prozent Lautstärke für nicht länger als 60 Minuten am Stück. Wenn Sie vorhaben, eine Sportveranstaltung oder ein Konzert zu besuchen, insbesondere wenn es in einer lauten Arena stattfindet, können Sie mit einem einfachen Paar Schaumstoff-Ohrstöpsel die möglichen Schäden erheblich reduzieren.

Wenn Sie in lauten Umgebungen Schwierigkeiten haben, Gespräche zu hören oder zu verstehen, und Sie glauben, dass Sie vielleicht an einem versteckten Hörverlust leiden, gehen Sie zu einem HNO-Arzt und bitten Sie um einen Hörtest, der über ein Standardaudiogramm hinausgeht. Denken Sie daran: Es ist nie zu früh, Ihr Gehör zu testen.
Wenn Sie bereits wissen, dass Sie einen Hörverlust haben, oder wenn Sie bemerken, dass Sie Sprache nicht deutlich verstehen können, zögern Sie nicht. Umfassende Hörtests, die einfach und schmerzlos sind, stehen Ihnen kostenlos bei Ihrem HNO-Arzt zur Verfügung. Wenn Sie sich mit Hörgeräten behandeln lassen, kann sich Ihre Lebensqualität verbessern. Sie können damit beginnen, indem Sie einen Hörgeräteakustiker aus unserem von Online Verzeichnis besuchen.