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Das Gehirn von Gehörlosen und Hörenden unterscheidet sich
Wenn Sie die Gebärdensprache zur Kommunikation verwenden und schon immer den Beweis haben wollten, dass Ihr Gehirn anders funktioniert als bei anderen Menschen, hier ist er.
Forscher der Georgetown Universität haben Unterschiede in der Hirnanatomie zwischen tauben Menschen (Lippenleser), die nur Englisch erlernt haben, und solchen, die mit Gebärdensprache aufgewachsen sind, entdeckt. Neue Forschungen weisen darauf hin, dass sich die Struktur des Gehirns danach unterscheidet lässt, mit welcher Sprache ein taubes Kind aufgewachsen ist. Die Erkenntnisse könnten sich als hilfreich für die Förderung und Maximierung der kognitiven Entwicklung von Kindern erweisen.
Das Wort taub ist voller definitorischer Komplexität. So wie viele Blinde noch etwas sehen, so können viele Gehörlose noch „etwas“ hören. Audiologen ziehen es daher vor, die Begriffe schwerhörig oder hörgeschädigt zu verwenden. Taube und hörende Studienteilnehmer unterscheiden sich unabhängig von ihrer Spracherfahrung, im Volumen der weißen Hirnsubstanz in ihrem auditorischen Kortex. Es bestehen auch Unterschiede in den Sprachgebieten der linken Hemisphäre, und diese Unterschiede sind spezifisch bei Personen, deren Muttersprache die Gebärdensprache ist.
Die Studie wurde im „The Journal of Neuroscience“ veröffentlicht und konnte belegen, das bestimmte Hirnareale von Menschen, die mit Gebärdensprache kommunizieren und aufgewachsen sind, eine dichtere graue Substanz aufweisen als bei tauben Menschen (Lippenleser), die nur Englisch erlernt hatten. Die Gebärdensprache hat also eine positiven Einfluss auf die Gehirnentwicklung von tauben Menschen.
Vor der Studie hatten sich die Forscher hauptsächlich darauf konzentriert, die Gehirnzusammensetzung von hörenden und tauben Personen zu vergleichen, ohne zwischen tauben Personen zu unterscheiden. Frühere Forschungsstudien, die die Hirnstruktur von gehörlosen und hörenden Personen verglichen, versuchten stets den Einfluss der Spracherfahrung nachzuweisen, indem sie sich nur auf Menschen konzentrierten, die mit Gebärdensprache aufgewachsen sind. Die Beschränkung der Untersuchung auf diese kleine Minderheit der gehörlosen Bevölkerung bedeutet jedoch, dass die Ergebnisse nicht auf alle Gehörlosen übertragen werden können.
Unterschiede in der kognitiven Entwicklung beeinflussen die Hirnstruktur von allen Menschen, nicht nur der tauben Bevölkerung. Indem man die Forschung über die Auswirkungen der Taubheit auf die Gehirnentwicklung nur auf diejenigen Personen beschränkte, die die Gebärdensprache erlernt haben, blieb ein bedeutender Teil der tauben Bevölkerung ununtersucht. 95 Prozent der tauben Kinder werden von hörenden Eltern geboren, so dass die Untersuchung von tauben Menschen (Lippenleser) mit Englisch als Muttersprache ein wichtiger Bestandteil der Hörverlustforschung ist.
Die Studie untersuchte vier Gruppen: Hörende Menschen mit Gebärdensprache als Muttersprache, gehörlose Menschen mit Gebärdensprache als Muttersprache, hörende Menschen mit Englisch als Muttersprache und gehörlose Menschen (Lippenleser) mit Englisch als Muttersprache. Die Forscher fanden in jeder der vier Gruppen deutliche Unterschiede im Volumen der grauen Hirnsubstanz, die für die Muskelkontrolle und Sinneswahrnehmung verantwortlich ist, und der weißen Substanz, die für die Signalübertragung im gesamten Gehirn verantwortlich ist.
Obwohl die Forscher nicht viele Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen gezogen haben, ist die Erkenntnis der Unterschiede ein wichtiger Schritt, um die Auswirkungen der Primärsprache auf die Entwicklung des Gehirns, insbesondere bei denjenigen, die mit Hörunterschieden aufwachsen, besser zu verstehen. Jedes Areal des Gehirns hat unterschiedliche Verantwortlichkeiten: Die rechte Seite des Gehirns ist weitgehend für räumliche Fähigkeiten und das Sehen verantwortlich, während die linke Seite die Sprachfähigkeiten dominiert. Unterschiede in der Hirnanatomie hängen mit der unterschiedlichen Hör- und Sprachentwicklung von hörenden und gehörlosen Menschen zusammen.
Wissenschaftler machen jeden Tag Fortschritte in der neurologischen Forschung, was uns dem Verständnis, wie unser Gehirn funktioniert und was seine Entwicklung beeinflusst, näher bringt. Neue Forschungen könnten eines Tages zur Prävention vieler Formen von Hörverlust oder zumindest zur Verbesserung der Umstände bei einer bestehenden Schwerhörigkeit führen. Wenn Experten verstehen, wie bestimmte Umwelt- und soziologische Faktoren die Entwicklung des Gehirns beeinflussen, können sie Eltern mit tauben und schwerhörigen Kindern über die beste Art der Erziehung aufklären. Die kognitive Entwicklung ist ein Hauptanliegen bei Kindern mit Hörverlust, die oft anfällig dafür sind, hinter ihren hörenden Altersgenossen zurückzufallen. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei das Erlernen der Gebärdensprache. Die oben referierte Studie belegt eindeutig, die positiven Auswirkungen der Gebärdensprache auf die kognitive Entwicklung von gehörlosen Menschen.
Sprache und Gehirnentwicklung
Die Sprache spielt eine wichtige Rolle bei der Gehirnentwicklung, insbesondere in den frühen Lebensjahren. Wenn ein Kind eine Sprache erlernt, aktiviert es bestimmte Regionen des Gehirns, die mit der Sprachverarbeitung und dem Sprachverständnis zusammenhängen. Diese Regionen sind im Gehirn von Erwachsenen, die bereits eine Sprache gelernt haben, bereits gut entwickelt, aber bei Kindern entwickeln sie sich im Laufe der Zeit.
Es wurde gezeigt, dass Kinder, die in einem sprachreichen Umfeld aufwachsen, schneller und effektiver Sprache erwerben und eine bessere Sprachkompetenz entwickeln als Kinder, die in einem spracharmen Umfeld aufwachsen. Wenn ein Kind jedoch Schwierigkeiten hat, Sprache zu erwerben, kann dies zu einer verminderten Entwicklung der Sprachregionen des Gehirns führen.
Einige Studien haben auch gezeigt, dass die Fähigkeit zur Sprachverarbeitung und zum Sprachverständnis mit der Zeit abnehmen kann, wenn sie nicht aktiv genutzt wird. Dies bedeutet, dass Menschen, die lange Zeit wenig sprechen oder hören, Schwierigkeiten haben können, Sprache zu verstehen oder zu sprechen. Dies ist ein Grund, warum es wichtig ist, Hörverlust frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um eine verminderte Sprachentwicklung und eine Verschlechterung der Sprachfähigkeiten zu vermeiden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sprache eine wichtige Rolle bei der Gehirnentwicklung spielt und dass eine angemessene Sprachentwicklung dazu beitragen kann, eine gesunde Gehirnentwicklung zu fördern. Es ist wichtig, Hörverlust frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um eine verminderte Sprachentwicklung und eine Verschlechterung der Sprachfähigkeiten zu vermeiden.
Weitere Studien
Studien, die sich mit den Unterschieden in der Gehirnentwicklung zwischen gehörlosen und hörenden Menschen:
Eine Studie aus dem Jahr 2005 untersuchte die funktionelle Neuroanatomie des Gehirns von gehörlosen Menschen und fand heraus, dass die visuellen Bereiche des Gehirns bei gehörlosen Menschen im Vergleich zu hörenden Menschen stärker aktiviert waren.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2010 untersuchte die Konnektivität im Gehirn von gehörlosen und hörenden Menschen und fand heraus, dass gehörlose Menschen eine höhere Konnektivität im visuellen Kortex und im somatosensorischen Kortex aufweisen.
Eine Studie aus dem Jahr 2011 untersuchte die Entwicklung der Sprachregionen des Gehirns bei gehörlosen Kindern, die Cochlea-Implantate erhalten hatten, und fand heraus, dass sich diese Regionen normal entwickelten, wenn das Cochlea-Implantat frühzeitig angewendet wurde.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2018 untersuchte die Gehirnentwicklung bei gehörlosen Kindern und fand heraus, dass die Dicke der Großhirnrinde in bestimmten Bereichen des Gehirns bei gehörlosen Kindern im Vergleich zu hörenden Kindern unterschiedlich war.
Diese Studien zeigen, dass es Unterschiede in der Gehirnentwicklung zwischen gehörlosen und hörenden Menschen gibt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Sehen, dem Fühlen und der Sprache. Die Forschung auf diesem Gebiet ist jedoch noch im Gange und es sind weitere Studien erforderlich, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen.
Mögliche Erklärungsansätze
Die unterschiedliche Gehirnentwicklung zwischen gehörlosen und hörenden Menschen kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann es auf den unterschiedlichen Zugang zu Sprache und Kommunikation zurückzuführen sein. Sprache ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Gehirns, insbesondere in den frühen Lebensjahren. Hörende Menschen sind von Geburt an einer Fülle von auditiven Sprachsignalen ausgesetzt, während gehörlose Menschen diesen Zugang nicht haben und sich auf andere Sinne wie das Sehen und Fühlen konzentrieren müssen. Dies kann dazu führen, dass sich ihre Gehirne auf diese Sinne konzentrieren und diese stärker entwickeln als bei hörenden Menschen.
Darüber hinaus können auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. Es gibt bestimmte genetische Mutationen, die mit Taubheit oder Schwerhörigkeit assoziiert sind und die die Gehirnentwicklung beeinflussen können. Zum Beispiel kann eine Mutation im Connexin-26-Gen, das an der Bildung von Verbindungen zwischen Nervenzellen beteiligt ist, zur Taubheit führen und die Gehirnentwicklung beeinträchtigen.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Ursachen für die Unterschiede in der Gehirnentwicklung zwischen gehörlosen und hörenden Menschen komplex sind und nicht vollständig verstanden werden. Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch im Gange und es sind weitere Studien erforderlich, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu klären.
Fazit
Das Gehirn von gehörlosen Menschen und hörenden Menschen unterscheidet sich tatsächlich in einigen Aspekten. Gehörlose Menschen haben typischerweise eine höhere Konzentration von Neuronen im visuellen Kortex, da ihre visuellen Sinne oft stärker ausgeprägt sind als bei hörenden Menschen. Außerdem nutzen gehörlose Menschen oft stärker ihre peripheren Sinne wie Berührung, um Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Dies kann zu einer stärkeren Entwicklung bestimmter Bereiche des Gehirns führen, die mit der Verarbeitung von taktilen Informationen und der Raumwahrnehmung zusammenhängen.
Darüber hinaus kann die Gehörlosigkeit auch Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben, insbesondere während der Kindheit. Kinder, die gehörlos geboren werden oder in sehr jungen Jahren gehörlos werden, können eine verminderte Entwicklung der Sprachregionen des Gehirns aufweisen, da das Gehirn in diesem Alter besonders empfänglich für den Spracherwerb ist. Wenn jedoch Gehörlosigkeit frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird, beispielsweise durch die Verwendung von Cochlea-Implantaten, können sich diese Regionen normal entwickeln.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Unterschiede im Gehirn nicht bedeuten, dass gehörlose Menschen geistig minderwertiger sind oder weniger Fähigkeiten haben als hörende Menschen. Das Gehirn ist sehr anpassungsfähig und kann sich an unterschiedliche Bedingungen und Erfahrungen anpassen. Viele gehörlose Menschen haben herausragende Fähigkeiten in visuellen, taktilen oder anderen Bereichen entwickelt und können auf diese Weise ein gleichwertiges Leben führen wie hörende Menschen.